Chris Do zeigt, welches Potenzial Clubhouse hat – und dass es dort nicht nur Dampfplauderer gibt.

Es ist jetzt knapp fünf Wochen her, seid der Clubhouse-Hypetrain durch Deutschland gerollt ist und auch in den USA mehr Menschen auf das neue Invite-only Soziale Netzwerk aufgesprungen sind. Hier im Blog habe ich noch gar nicht darüber geschrieben, aber im Newsletter gabs mal eine Einschätzung von mir. Ich zitiere mich hier mal selbst:

Zum Zuhören sind Clubhouse-Diskussionen anstrengender als Podcasts, weil der Schnitt fehlt und dann doch oft Leute durcheinanderreden oder Pausen entstehen. Für „geplante“ Formate, also mit festen Leuten und einigermaßen feststehenden Themen würde ich immer einen normalen Podcast bevorzugen. Spannend wird es eher, wenn neue Leute dazukommen und dadurch die Diskussion in eine andere Richtung treiben; oder wenn man ein Q&A Format daraus macht. (…) Die Videoebene ist bei Laber-Lives eh nicht wichtig und die Leute, die auf Clubhouse gehen, nehmen sich [im Gegensatz zu Insta-Live-Zuschauer:innen] die Zeit und WOLLEN gerne länger zuhören.

Kato über Clubhouse – abonniere meinen Newsletter für weitere Hot Takes

In den letzten Wochen habe ich immer mal wieder bei Clubhouse spontan reingehört, mir Talks in meinen Kalender eingetragen und selber an Freelancer:innen-Talks teilgenommen. Wenn ich abends koche habe ich eh Kopfhörer drin, und statt eines Podcasts habe ich dann öfter Clubhouse-Rooms eingeschaltet.

Dabei war ich meistens eher negativ als positiv überrascht.

Hier eine Auswahl der Issues:

  • unmoderierter Raum -> Leute reden übereinander drüber
  • übermoderierter Raum -> Frage-Antwort-Stakkato. Statt eine Diskussion aufkommen zu lassen, fordert der Host nach jedem Beitrag auf, allen Moderatoren zu folgen (bewusst nicht gegendert)
  • „No-Pitch-Regel“ wird einfach ignoriert
  • Raumthema wird beim Fragenstellen ignoriert, Diskussion schweift ab
  • „ich hab gar nichts zu sagen aber wollt trotzdem auf die Bühne und werfe dann passiv-aggressive-Kommentare ab“-Peter ?
  • unendlich lange Vorstellungsrunden
  • Gäste, die nicht auf die Fragen antworten, sondern sich wie aalglatte Politiker:innen an jeder Frage vorbeischlängeln (literally, wtf, das komplette Panel hat NIE auf die Fragen geantwortet sondern immer irgendwas anderes gelabert??)
  • Co-Moderator:innen, die dauernd dazwischenlabern
  • Aufforderung, sich zu melden, ohne konkrete Frage oder Aufforderung („Wenn irgendjemand was sagen will…“ Nee, dann kommen wieder so Peters.)
  • Oberflächliche Antworten, dann Selbstbeweihräucherung über den krassen Value, den man gerade delivert.

Uff. Wer bisher noch nicht auf Clubhouse war, hat nach dieser Liste wahrscheinlich auch keine Lust mehr, sich einen Invite zu besorgen. Verständlich ??‍♀️

Dann kam Chris Do.

Chris hat nicht ohne Grund die Position 1 meiner liebsten Biz-Influencer:innen inne. Der YouTube-Kanal „The Futur“ hat wahnsinnig guten und genuinely hilfreichen Content. ~Theoretisch~ ist der kostenlose Content auf YouTube eine Marketingmaßnahme für die kostenpflichtigen Onlinekurse und das Gruppencoachingprogramm Pro Group. Aber, um auch hier wieder mich selbst zu zitieren:

Tatsächlich verkauft The Futur auch Onlinekurse und Weiterbildungsprogramme. Das habe ich – kein Scherz – erst ungefähr nach einem halben Jahr Channel-Konsum gecheckt. Die Beiträge (vor allem die langen, hochwertig produzierten Shows) stehen zu 100% für sich und sind nicht der Startpunkt eines Funnels. The Futur empfehle ich IMMER, wenn ich mich mit Selbstständigen aus der Kreativbranche über Business-Themen unterhalte.

Meine liebsten Business-Influencer*innen

So, jetzt gibts den guten Content also nicht nur auf YouTube (und als Podcast), sondern auch bei Clubhouse. Chris Do und einige Mitglieder der Pro Group (u.a. Drigo, Moismai und Anneli Hansson) sowie Gäste (z.B. Blair Enns) haben verschiedene Formate etabliert. Laut Chris waren die bisher beliebtesten Formate loud introverts guide to networking, role plays with breakdowns und live IG critiques. (Hier der Tweet)

Und jetzt lobe ich etwas, das ich in meiner Einschätzung vor einem Monat noch als Quatsch bezeichnet habe:

Ich fänd es schade, wenn wertvolle Gespräche im Clubhouse verpuffen. Synchrone (= live stattfindende) Gespräche via Zoom, Insta/YouTube/Facebook live und Co kann man immer aufzeichnen und zweitverwerten. Clubhouse-Content verpufft. Ganz konkret denke ich an das Format Tea with GaryVee, das selbiger seit Coronabeginn als Liveformat auf Zoom+YouTube durchführt. Gestern hab ich zufällig einen Tea with GaryVee-Raum auf Clubhouse entdeckt und nur noch die letzten 2 Minuten mitbekommen. Der Rest ist halt weg. Finde ich für informierende/educational Formate sowohl aus Produzentinnen- als auch Konsumentinnensicht Quatsch.

im Newsletter über Clubhouse

Ein paar Talks haben Chris und sein Team aufgezeichnet, die meisten finden aber nur auf Clubhouse statt. Wer nicht live dabei sein kann, hat Pech gehabt. Das finde ich super schade, weil ich den Content gerne speichern/weiterleiten würde. Aaaaber ich sag mal so: wenn ihr auf Clubhouse irgendwem folgen solltet, dann Chris. Zum einen für den Content, zum anderen für die Art und Weise, WIE er auf Clubhouse lehrt. Denn alles, was ich oben als Issues gelistet habe, passiert in den The Futur-Räumen NICHT.

Ich versuche im Folgenden mal, den „Code“ zu knacken und aufzulisten, was die Sessions so gut macht:

  • Klares Thema und vorbereitete Struktur: Kein Gelaber!
  • Klar verteilte Rollen: Wer stellt Fragen, wer antwortet, wer scannt parallel die sozialen Netzwerke?
  • Kein Abschweifen vom Thema des Raumes
  • Hohe Konzentration, thoughtful Questions
  • (nicht immer:) Fragesteller:innen werden nicht „einfach so“ auf die Bühne geholt, sondern sie müssen vorher ihre Frage per Instagram oder Twitter an die Mods schicken, damit sichergestellt wird, dass ihre Frage zum Thema passt und dass sie sie kurz & präzise stellen können.
  • Wenn eine Frage zu verworren oder unpräzise ist, zwingt Chris den/die Fragesteller:in dazu, sich präzise auszudrücken, bis eine „gute“ Frage bei rauskommt.
  • Keine Selbstpromo, kein Pitch

Mit letzterem hält Chris sich sehr gut an das, was er gestern selber gesagt hat. Es ging in der Session um „How to use video to build and grow your social platform“ – mit Grundsätzen wie „Selling through teaching“, „die Audience merkt, wenn du eine Agenda hast und ihnen was verkaufen willst“ und „sag nur etwas, wenn du auch wirklich was zu sagen hast“.

Den Inhalt der gestrigen Session hat netterweise Jason Chan schon zusammengefasst – hier sein Tweet mit seinen Notizen.

Gegen Ende des Talks habe ich mich ertappt gefühlt, als Chris über zufriedene Kund:innen und Markenbotschafter:innen sprach, die auch zu unmöglichen Zeiten aufstehen/wachbleiben, um an Talks teilzunehmen. Äh ja, der Talk begann um 23 Uhr deutscher Zeit und zu dem Zeitpunkt hatte ich es mir mit dem iPad im Bett gemütlich gemacht, um ihn noch zuende hören zu können. (Meine Instagram-Story dazu wurde am Ende sogar von Mo vorgelesen und Chris hat gelacht – Goals!)

Fun Fact übrigens: Ich habe noch nie etwas von The Futur gekauft. Die Designkurse brauche ich nicht, die Pro Group ist mir zu teuer. Aber sobald es einen Kurs o.ä. gibt, den ich gebrauchen kann, zücke ich meine Kreditkarte! #1BminusOne

Fazit: Audio Education via Clubhouse

Ich beschäftige mich gerade viel mit digitaler Lehre (im Hochschulkontext) und schüttele immer den Kopf, wenn ich lese, dass Leute sich zurück zur Präsenz sehnen, weil ihrer Meinung nach kein guter remote-Unterricht mit digitalen Kanälen möglich ist. Wenn ich dann aber miterlebe, wie ein brillianter Lehrer wie Chris es schafft, ausschließlich über den Audiokanal (keine Visualisierungen, kein Chat, kein nix) zu unterrichten… Sollte es dann nicht auch für Durchschnitts-Lehrer:innen möglich sein, vernünftigen Unterricht zu machen, wenn sie eine größere Medien- und Methodenauswahl haben?