Warum ich „Heul nicht, mach doch!“ pausiert habe und wie es (vielleicht) weitergeht

Dies ist der dritte Teil einer Reihe über (meine) Geschäftsmodelle, meinen Marketing-Approach und Online-Business-Bullshit. Lies Teil 1 + Teil 2. Stay tuned for more.

Es ist jetzt knapp ein Jahr her, seit die letzte Podcastfolge im Heul nicht, mach doch! Podcast online gegangen ist. Im Angesicht der Pandemie mit den Kontaktbeschränkungen, Schließungen und erheblichen gesundheitlichen Folgen für alle – physisch wie psychisch – dachte ich mir:

Das letzte, was irgendjemand jetzt braucht, ist eine verrückte Alte im gelben Pullover, die dir sagt, du sollst in deiner Freizeit irgendwas Kreatives machen.

Und ganz ehrlich? Ich hatte (a) im Frühjahr 2020 auch keinen Kopf, diesen Podcast weiterzuführen und (b) war ich schon etwas länger nicht mehr so ganz happy mit dem Projekt und wie es sich entwickelt hatte.

Fangen wir mal mit Punkt (a) an, springen dann weiter in die Vergangenheit und gucken uns dann die mögliche Zukunft von HNMD an:

Brauchen wir Passion Projects in einer Pandemie?

Um alle abzuholen: Hinter dem Namen Heul nicht, mach doch! verbirgt sich ein Projekt, das ich Anfang 2018 gestartet habe und das Menschen dabei motivieren und unterstützen soll, eigene Passion Projects zu starten. Ein Passion Project ist ein kreatives/ggf. digitales/ggf. soziales Projekt, das professioneller als ein pures Hobby geführt wird, aber dabei keine Monetarisierungsabsicht hat. Sprich, es geht nicht um Gründung oder Selbstständigkeit. (Das musste ich gebetsmühlenartig wiederholen, weil es bei den drölftausend Gründercoaches, Financial-Freedom-Girlbosses und Entfliehe-dem-Hamsterrad-Larrys da draußen irgendwie gar keine Option mehr zu sein scheint, etwas einfach so zu machen und nicht mit nem Preisschild und der Check-Out-Page dahinter. *seufz*)

Sprich, ein Passion Project wäre es zum Beispiel, wenn du einen Podcast zum Thema XY machen willst, weil…

  • dich das Thema XY so begeistert
  • du mit deiner besten Freundin so gerne über XY sprichst und ihr den Podcast auch als Freundschaftsprojekt seht
  • du damals das ganze Internet nach Informationen zu XY durchforstet hast und es anderen Suchenden jetzt leichter machen wilst
  • es dich nervt, dass in den Medien nicht genug über XY gesprochen wird
  • du eine XY-Community gründen willst

Wenn der Podcast hingegen Teil deines klasse Funnels wird, an dessen Ende du einen XY-Onlinekurs verkaufen willst – dann ist es kein Passion Project. ❌ Zumindest nicht nach meiner Definition.

Nun ist es so, dass viele Menschen eine PP-Idee im Hinterkopf haben, aber bereits im „normalen“, nicht durch eine fucking Pandemie durcheinandergewirbelten Leben, genug Hindernisse zwischen Idee und Ausführung stehen. Nicht genug Zeit, zum Beispiel; oder das Imposter-Syndrom; oder nicht genug Know-How. Für all diese Hindernisse habe ich natürlich Podcastfolgen aufgenommen, Ressourcen gesammelt, Checklisten geschrieben und Co. Aber halt für eine Welt pre Panini.

Kann ich dir guten Gewissens erzählen, dass du schon Zeit für dein Passion Project findest, wenn du nur weniger Netflix schaust, wenn dein Kind nicht in die Kita gehen kann und von dir betreut werden muss? Kann ich dir einen günstigen Webhoster für nur 1,50€ im Monat empfehlen, wenn du locker das Dreifache für einen fancy Kaffee bezahlst, wenn du deinen Nebenjob verloren hast? Kann ich dir Mut machen, dass du dich trauen sollst, deine Gedanken zu Thema XY ruhig auf deinem Blog zu veröffentlichen, wenn du mit Selbstbewusstsein an die Sache rangehst, wenn deine Gedanken gerade um die Hochrisikopatient:innen in deinem Freundeskreis kreisen?

I can’t. Passion Projects fühlten sich im Frühjahr 2020 wie das Unwichtigste auf der Welt an. Ich hab noch kurz ’ne Notfall-Monetarisierungs-Folge rangeschoben (auch wenn ich eigentlich Fan davon bin, Passion Projects nicht direkt zu monetarisieren), und HNMD dann ganz unten auf meine Prioritätenliste rutschen lassen.

Warum ich schon länger nicht so glücklich mit dem Projekt war bzw. warum es in meinen Augen gescheitert ist

Okay, kommen wir zu der Sache, die schon vor Corona nicht so richtig lief. Gaaanz am Anfang, als ich die Heul nicht, mach doch!-Website erstellte, schrieb ich dort „das hier ist mein Passion Project über Passion Projects“. Aber kurze Zeit später habe ich den Satz wieder gelöscht, denn das war ja Quatsch. Ich wollte HNMD ja größer/professioneller aufziehen und damit Geld verdienen. Ich habe zum Beispiel 1:1-Mentorings angeboten, digitale Bootcamps in Kleingruppen, die Summer School im Sommer 2019 und digitale Produkte wie E-Books und Planner.

Hat das geklappt, habe ich mit HNMD Umsatz gemacht? Ja! Hat es sich im Verhältnis zum Aufwand gelohnt? Nope.

An Geschützen habe ich all das aufgefahren, was einem die Online-Business-Gurus empfehlen: Website ✔ E-Mail-Newsletter ✔ SEO-Texte ✔ Podcast für Long Form Content ✔ Instagram für Microcontent + Communitybuilding ✔ Gegenseitige Gastauftritte bei anderen ✔ Livestreams ✔ Freebies ✔ Merch ✔ Webinare ✔

Uff, die Auflistung klingt schon anstrengend. Solange mir das Spaß gemacht hat, ich excited war und richtig Bock hatte, irgendwelche Texte zu schreiben, Podcastfolgen einzusprechen und Pixel zu inspirerenden Quotes zu schubsen, war das auch okay. Aber sobald die Lust verging, war es sehr, sehr anstrengend.

Warum „lief“ es denn nicht richtig? Ich glaube, dafür gab es eine Reihe von Gründen:

  • It’s a numbers game (and I hate it). Conversion Rates und Co: Damit am Ende ein Sale bei rauskommt, muss ein Vielfaches an Leuten dein Angebot kennen. Wenn die Grundreichweite nicht so hoch ist, gibt es halt nur wenig Ergebnisse. Der Aufwand bleibt aber gleich. Sprich, ich brauche eine bestimmte Zeit und Energie, um z.B. einen Social-Media-Beitrag zu erstellen. Ob ihn aber 1000 Leute sehen und bei einer Conversion Rate von 2% daraufhin 20 Leute etwas kaufen; ob ihn 100 Leute sehen und 2 etwas kaufen oder ob ihn 20 Leute sehen und niemand kauft, macht einen großen Unterschied. Unangenehmer Bonus-Effekt: Wenn von 100 Leuten 2 kaufen, hast du das Gefühl, 98 Leute genervt, gelangweilt oder abgeschreckt zu haben.
  • Kein Budget für paid reach. Damals war ich ganz am Anfang meiner Selbstständigkeit und hatte kein „Spielgeld“, das ich in Werbeanzeigen oder andere Maßnahmen hätte stecken können, die meine Reichweite schnell erhöht hätten (so dass das numbers game aufgeht).
  • I suck at B2C sales. Es gibt Leute, die bauen sich eine Community auf und haben keine Probleme, der dann auch was zu verkaufen. Und es gibt mich. 😀 Ich empfinde es als sehr unangenehm, direkte Werbe-CTAs für meine eigenen Dienstleistungen und Produkte zu setzen, und war da zu HNMD-Zeiten auch nicht pushy genug. (Deshalb auch dieser Beitrag hier, warum ich es geil finde, dass meine Communities und meine Geschäftspartner*innen sich größtenteils nicht überlappen.)
  • Die Zielgruppe war nicht richtig/schlechtes product-market fit. Es gibt da draußen genau die Leute, die meine Message verstanden haben; die Bock auf ein Passion Project haben und sich von meinem Content angesprochen fühlen. Aber die haben dann in der Regel nicht das Budget für Dienstleistungen (Mentorings) und haben bei günstigeren Produkten (E-Books, Selbstlern-Onlinekurse etc) berechtigterweise das Gefühl, dass das bei ihren Problemen/Hürden nicht ausreichend hilft. Im Gegensatz zu den ganzen Mach-dich-selbstständig-Dudes da draußen habe ich meine kostenpflichtigen Angebote nämlich niemals als „Investition“ bezeichnet. Denn klar, du greifst eher für eine Beratung in die Tasche, wenn du das Gefühl hast, dass sich das in ein paar Wochen oder Monaten auszahlt. „Nur“ für ein Hobby oder das eigene Wohlbefinden sind die Budgets gerade bei jüngeren Leuten zu klein oder gar nicht vorhanden.
  • Meine Kommunikation war nicht gut. Was mich gegen Ende der aktiven Social-Media-Zeit bei HNMD richtig genervt hat, waren die ganzen B2B-Instagram-Profile, die sich mit mir ~connecten~ wollten. Oft habe ich bei neuen Follower:innen das Profil gecheckt. Wenn es sich offensichtlich um eine Privatperson handelte, habe ich mich gefreut – bei „ich-helfe-dir„-Business-Larrys mit den Augen gerollt. Damit meine ich nicht die Art von Sprachnachricht-Larrys, die mir irgendwas verkaufen wollen (für die ist Jenni der absolute Magnet), sondern Business-Profile, auf denen meist Solo-Selbstständige irgendwelche Dienstleistungen wie Coaching, Virtuelle Assistenz oder Social-Media-Beratung angeboten haben. Die haben dann meine Beiträge kommentiert und mir DMs geschrieben, in der Hoffnung, sich mit mir zu ~connecten~ oder an meiner Audience teilzuhaben. Auf die hatte ich gar.keinen.bock und es hat mich frustriert, dass die mich offensichtlich als „Partnerin in einer ähnlichen Zielgruppe“ gesehen haben. Wie gesagt, es gibt da draußen jede Menge Leute, die dir beibringen wollen, wie du ~ein Business startest~ und dich als Coach, mit Onlinekursen oder digitalen Produkten selbstständig machst. Dass die Begriffe wie „Herzensprojekt“, „Herzensbusiness“, „From Passion to Profit“ und Co benutzt haben, hat es mir nicht leichter gemacht, mich davon abzugrenzen. Wie gesagt, einige Leute haben es voll verstanden, aber auf den ersten Blick haben mich anscheinend viele ebenfalls in diese „hilft anderen Leuten sich selbstständig zu machen“-Schublade eingeordnet. Ich glaube, ich bin daran selbst Schuld, weil ich Marketingtaktiken angewandt habe, die genau solche Leute anziehen… und die ich erstmal selber un-learnen muss.

So macht mans halt?!

Als ich mit Heul nicht, mach doch! anfing, hatte ich von dem diversen Business-Content, den ich so konsumiert hatte, das Gefühl, dass das der „normale“ oder einzige Weg im Online-Business ist: Mach ganz viel Content, baue dir eine Community auf, verkauf der Community dann eine Reihe von Produkten von niedrigpreisigen Dingen wie E-Books über mittelteure Produkte wie Onlinekurse bis hin zu (Gruppen-)Coachingprogrammen, bei denen man dann wirklich was mit mir zu tun hat. Der größte Fehler, den man laut den Business-Gurus ja machen kann, ist schließlich Zeit gegen Geld zu tauschen. Sprich, alles soll möglichst passiv und skalierbar sein. Wer dann wirklich deine Zeit will, muss dafür ordentlich blechen und sich an die Spitze der Produkttreppe hochgearbeitet haben.

Ich will nicht sagen, dass das nicht funktioniert. Man sieht an diversen Online-Biz-Gurus, dass das geht.

Ich sehe aber auch, dass das (a) nicht so einfach ist, wie die Gurus dir das verklickern wollen und (b) dass es auch viele andere Geschäftsmodelle gibt, die besser zu mir passen. Ich hab’s gefühlt schon dutzende Male geschrieben, aber ich machs gern weiterhin: Um 500€ Umsatz zu erwirtschaften, ist es für mich sehr viel einfacher, einen Workshop zu verkaufen als 50 E-Books á 10€. Auch wenn ich dabei die heilige Biz-Regel „tausche keine Zeit gegen Geld“ breche. (Da gibt’s noch diverse andere dumme Regeln, die ich mir ein andernmal vornehmen werde.)

Im zweiten Teil habe ich schon geschrieben:

„Auf meinen Kontostand hat die Entscheidung, @heulnichtmachdoch auf Eis zu legen, keinen negativen Einfluss. Im Gegenteil, durch die freigewordene Zeit habe ich viel mehr das gemacht, was wirklich Geld bringt. Angebote schreiben zum Beispiel. Dazu ein anderes Mal mehr.“

Zu den Angeboten und dem, was wirklich Geld bringt, komme ich an späterer Stelle.

Jetzt will ich erstmal ein bisschen (öffentlich) drüber nachdenken, wie es denn mit Heul nicht, mach doch! weitergehen könnte.

Schließlich will ich die 100+ Podcastfolgen, den Instagram-Account und die Brand nicht einfach löschen. So weitermachen wie früher werde ich aber auf keinen Fall.

Wie geht’s weiter?

In meinen Notizen steht: Ich hätte HNMD einfach von Anfang an als Passion Project machen sollen. Besser spät als nie, oder?

  1. Mein erster Gedanke war, einfach die HNMD-Website umzubauen und daraus eine Content-Bibliothek zu machen.
  2. Dann war ich inspiriert von Chris Dos „Young Guns“-Serie, in der er Nachwuchs-Designer (und in der 2. Staffel dann nur -Designerinnen) mehrere Wochen lang in Form von öffentlichen Live-Calls coacht. Schließlich macht mir das Mentoring am meisten Spaß.
  3. Vor ein paar Tagen hatte ich eine andere Idee: Warum nicht meinen dreimonatigen Uni-Kurs (dessen Konzept aus meiner HNMD-Philosophie heraus entstanden war) parallel in Social-Media-Content umwandeln und im Sommer als Kohorte durchführen; dann evergreen speichern? (Eine Inspiration dafür ist Rachael Kay Albers mit ihrer Free School auf Instagram)

Für welche Idee ich mich entscheide, sollte wohl überlegt sein. Aktuell ist nur kommuniziert, dass sich das Projekt in einer Pause befindet. Sobald ich auf dem HNMD-Account wieder etwas poste oder eine Mail an die Newsletterliste verschicke, muss ich gut erklären können, was jetzt passiert. Im besten Fall sollen die Leute ja Bock drauf haben und mitmachen.

An dieser Stelle möchte ich meine Bedenken teilen und lade alle, die bis hierhin gelesen haben, dazu ein, ihren Senf dazuzugeben!

Bedenken

  • Haben die Leute da Bock drauf? Ideen 2 und 3 sind davon abhängig, dass ich eine Handvoll Leute finde, die wirklich mitmachen. Wie peinlich wäre es, wenn ich einen kostenlosen Mitmach-Kurs anbiete und dann nur zwei oder drei Leute auftauchen?
  • Will ich ein paar Wochen/Monate lang meine Zeit und Energie da reinstecken? Ich darf mich mit dem Workload nicht überfordern. Mit der Entscheidung, dass HNMD als Passion Project weitergeführt wird, ist klar: Hieraus mache ich keine Kohle, also muss es mir zumindest Spaß machen! Ich habe mittlerweile eine Mitarbeiterin, von deren Stundenkontingent ich ein paar Stunden auf dieses Projekt legen könnte. Und ich hätte auch das „Spielgeld“, irgendwelche Tools oder Fremdleistungen zuzukaufen. Ich will mich aber ungerne commiten, auch wenn die Verlockungen groß sind (Looking at you, Circle.so Communitytool für 40 Dollar im Monat).
  • Wird mein Konzept geklaut, wenn ich es öffentlich mache? Von erzähl davon bin ich es gewohnt, dass Leute Content über das gewollte Maß hinaus nutzen. Wenn ich jetzt meinen Content öffentlich mache, mein Konzept, meine Literaturlisten, meine Übungen, meinen Spin aufs Thema – fällt mir das irgendwann auf die Füße, weil es in einem Kontext genutzt wird, der mir nicht gefällt?
  • Ist es ein gutes Timing? Die oben aufgezählten Gründe gegen Passion Projects in einer Pandemiezeit sind ja nach wie vor gültig; es sind nur 12 Monate seitdem vergangen. Ist es jetzt der perfekte Zeitpunkt, mit einem Passion Project Realitätsflucht zu begehen, oder angestaute Corona-Wut in etwas Produktives zu stecken? Oder ist das Timing so richtig mies, weil die Leute nicht mal mehr Bock haben, Bananenbrot zu backen und bei sommerlichen Temperaturen die Bildschirme erst recht aus lassen wollen?

So, das zum aktuellen Stand meiner Idee. Mein Uni-Kurs im Sommersemester startet Ende April. WENN ich parallel dazu via Instagram einen Mitmach-Onlinekurs mache, muss ich jetzt mit der Planung anfangen. Hit me up und sag mir, was du davon hältst.

Mir gefällt die Idee gerade, weil ich das Gefühl hätte, nicht nur „einfach so“ auf Instagram wieder aktiv zu werden, sondern (m)einem Curriculum zu folgen. Wer gerade Bock hat, mitzumachen, wird eingebunden. Wer erst später darauf stößt, hat ein geordnetes Archiv und nicht nur zusammenhanglosen Microcontent.

Also, was sagst du dazu? ??? Schreib mir bei Insta oder Twitter ne Nachricht!

von

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