pitch it to me, baby!

Neulich erreichte mich eine Mail von einem Startup. Sie hatten meinen Blogpost voll des Lobes über Castmagic gelesen und baten mich, sich doch bitte ihr Konkurrenzprodukt anzugucken und auch darüber zu schreiben.

Nun, wie soll ich es sagen? Die Mail hatte Verbesserungspotenzial. 😅 Der Verfasser und ich haben einen Deal gemacht. Ich darf seine (anonymisierte) Mail nutzen und kritisieren, und dafür bekommt er ausführliches Feedback, damit seine nächsten PR-Mails besser ankommen. Und ihr als Leser:innen dieses Blogs seid natürlich ebenfalls Nutznießer:innen!

Was ist ein PR-Pitch?

Starten wir mit den Basics: Bei Public Relations nutzen wir other people’s audiences (OPA). Wir identifizieren also Publikationen oder Events mit Reichweite und versuchen unser Thema (und dadurch auch: unsere Marke, unser Angebot, unser Produkt, …) dort zu platzieren. Ein Pitch ist dafür da, um den (Erst-)Kontakt herzustellen und das Interesse zu wecken.

Dieses Interesse ist wahnsinnig wichtig, da es die Grundlage für erfolgreiche PR ist. Während wir bei klassischer Anzeigenschaltung Reichweite gegen Geld tauschen, bieten wir bei dieser PR-Strategie kein Geld, sondern eine interessante Story.

Oder, um es konkret zu machen: Wenn ich einen Podcast entdecke, der von meiner Zielgruppe gehört wird, dann kann entweder versuchen, dort eine Anzeige zu schalten, oder ich kann mich als Gast pitchen. Bei der Anzeige bezahle ich einen Geldbetrag (entsprechend des Media Kits des Podcasters, oder direkt mit ihm verhandelt) und meine Werbebotschaft wird (als Anzeige gekennzeichnet) vom Host vorgelesen. Ist hingegen mein PR-Pitch erfolgreich, werde ich als Gast eingeladen. Wie ihr euch vorstellen könnt, wirkt es ganz anders, ob ich in 45 Minuten von mir und meiner Story erzählen kann, oder ob man eine 45-sekündige Werbebotschaft hört. Der Pitch wird aber nur erfolgreich sein, wenn ich dem Podcaster einen guten Grund gebe, mich einzuladen: wenn ich eine interessante Geschichte zu erzählen habe, wenn ich spannende Insights mitbringe, wenn ich Expert:in auf meinem Gebiet bin, und so weiter und so fort.

Diesen Mehrwert klar zu machen ist also die Aufgabe der Pitch-Mail.

Wie lautete die Pitch-Mail?

Die anonymisierte Mail sah so aus:

Castmagic & [Name des Startups]

Hallo Katrin,
ich bin der Gründer von [Name des Startups] und habe gerade einen Blog-post über castmagic.io gelesen. Wir bieten ein sehr ähnliches Tool, für einen bedeutend niedrigeren Preis an. Ich dachte ich schreibe dir einfach, vielleicht ist es ja für dich spannend und du hast Lust dazu etwas zu schreiben. 🙂

Unser Tool kann man hier finden: [Webadresse des Startups]

Liebe Grüße, [NAME]

Was ist gut an der Pitch-Mail?

  • richtiger Name bei der Ansprache
  • individuelle Mail (keine Massenmail)
  • kurz und knackig
  • freundlicher Ton
  • keine nervigen Dateianhänge

Was ist schlecht an der Pitch-Mail?

  • kein guter Grund, was das andere Tool besser macht
  • schwacher CTA
  • kein Anreiz für mich, warum ich mich mit dem Tool beschäftigen sollte (z.B. Gratis-Kontingent)

Also, die Mail ist nicht furchtbar, aber auch nicht gut genug, um mich aus dem Hocker zu hauen.

Wie kann die Mail verbessert werden?

Gucken wir uns die drei Punkte mal nacheinander an:

Kritikpunkt 1: kein guter Grund, was das andere Tool besser macht

Wer meinen Castmagic-Artikel gelesen hat, hat schnell gemerkt, dass ich davon wirklich begeistert bin. Und wer ihn einigermaßen aufmerksam gelesen hat, hat auch gemerkt, dass ich Castmagic durch einen Lifetime-Deal bei Appsumo gekauft habe. (Bedeutet: ich habe einmalig dafür Geld bezahlt, und dafür jetzt ein monatliches Kontingent – so lange, wie es das Tool gibt.)

Literally der einzige Benefit, den mir der Verfasser verraten hat, ist, dass ihr Tool günstiger ist. Da ich ja keine monatlichen Kosten habe, ist mir das – sorry – scheißegal. 🙃

Mach’s besser: Betone stattdessen eine Besonderheit, die für mich relevanter ist. Das könnten besondere Features sein, die die Konkurrenz nicht hat. Da das Tool anscheinend von einem Entwicklerteam aus Deutschland hergestellt wird, könnte das zum Beispiel sein, dass es in der deutschen Sprache besser erkennt oder z.B. mit Dialekt-Material trainiert wurde. (Das ist nämlich ein echtes Problem, das eine andere deutsche Userin im Castmagic-Slack meldete! Sie hatte Podcasts mit Gästen aus Bayern und Sachsen, und da funktionierte die Transkription wohl nicht so gut.)

Und selbst wenn ihr keine hochinnovativen Features habt: Ihr könntet ja immernoch die Lokalpatriotismus-Karte ziehen und damit werben, dass euer Produkt in Europa entwickelt wird und nicht jenseits des großen Teichs.

Im Idealfall bezieht ihr euch dabei auf meinen ursprünglichen Blogpost („du hast ja kritisiert, das…“ oder „du hast ja geschrieben, dass dir xy wichtig ist“) – so sehe ich, dass ihr ihn *wirklich* gelesen und nicht nur ergoogelt habt.

Kritikpunkt 2: schwacher CTA

Der Call to Action in der Pitch-Mail lautete: „Ich dachte ich schreibe dir einfach, vielleicht ist es ja für dich spannend und du hast Lust dazu etwas zu schreiben. 🙂“

Okay, sind wir mal kurz ehrlich. Der Verfasser der Mail hat verschiedene Wünsche, was seine Mail erreichen soll. Sortiert von „ziemlich wahrscheinlich“ zu „Jackpot“ lauten die Wünsche:

  1. ich soll die Website besuchen
  2. ich soll einen Test-Account anlegen und es ausprobieren
  3. ich soll darüber bloggen und ihm einen Backlink schenken
  4. ich soll (zahlende) Kundin werden
  5. ich soll das Tool empfehlen und ihm Traffic und Kund:innen schicken

Das wird so nix mit einem schwachen CTA! Und vor allem werde ich nicht über etwas schreiben, was ich nicht selber gut finde.

Mach’s besser: Deswegen würde ich mich beim CTA darauf konzentrieren, mir gute Gründe zu geben, warum ich das Tool ausprobieren sollte. (Siehe Kritikpunkt 1) Beispiel:

„Du warst ja ziemlich begeistert von Castmagic – wetten, dass unser Tool da mithalten kann, und Deutsch noch besser erkennt? Probier es aus!“

Der Gedanke dahinter: Wenn das Tool cool ist, blogge ich von alleine darüber.

Bei einem Blog, der stärker gewinnorientiert ist, könnte man stattdessen ein Affiliate-Programm in den Mittelpunkt stellen, zum Beispiel:

„Der CM-Lifetime-Deal ist ja jetzt vorbei. Empfiehl den Podcaster:innen aus deinem Netzwerk unser Tool, mit dem sie mit nur X€ im Monat Microcontent aus ihrem Podcast erstellen können. Wir bieten dir x% Affiliate-Kommission Monat für Monat!“

Apropos Geld…

Kritikpunkt 3: kein Anreiz für mich, warum ich mich mit dem Tool beschäftigen sollte

In der PR ist es üblich, mit Samples zu arbeiten. Bei physischen Produkten schickt man den Redakteur:innen oder Pitch-Empfänger:innen also eine Probe zu. Bei sowas wie Filmen oder Büchern bekommen sie verfrühten und exklusiven Zugang für ihre Rezension. Es wäre also bei diesem Tool nur logisch, wenn das Team mit anbieten würde, mir einen kostenlosen Zugang mit Freiminuten anzulegen, damit ich es testen kann.

Falls es eh eine Gratisversion gibt, dann sollte man sie in der Pitchmail zumindest erwähnen. Für die empfangende Person fühlt es sich aber besser an, wenn sie das Gefühl hat, etwas geschenkt zu bekommen. Schließlich wollt ihr ja von mir, dass ich meine Zeit einsetze, um das Tool zu testen und darüber zu bloggen – da ist es das Mindeste, wenn ihr mir das so reibungslos wie möglich macht.

Mach’s besser: Biete der Bloggerin proaktiv an, dass sie einen kostenlosen Account oder eine erweiterte Testversion zur Verfügung gestellt bekommt. The Law of Reciprocity lässt grüßen! Auch für kleine Startups ohne Budget sollte das möglich sein. Ihr wollt ja keine Anzeige buchen, ihr wollt ja PR-Reichweite!


Ich hab jetzt hier die Features und den USP betont, den das Startup nennen soll. Ketzerische Frage: Was, wenn sie sowas nicht haben? Was, wenn ihre Software nicht so ausgereift ist wie Castmagic oder andere AI-Tools, die schon Monate Vorsprung haben?

Meine ganz persönliche Antwort darauf ist: dann appelliert an meine Eitelkeit. Schreibt sowas wie

„Wir haben gesehen, dass du Castmagic intensiv ausprobiert hast. Wir entwickeln gerade etwas ähnliches, und haben das Ziel [dass es auf Deutsch noch besser funktioniert / dass super user-freundlich sein soll / dass es möglichst günstig sein soll, um auch für Hobby-Podcaster:innen erschwinglich zu sein / whatever]. Kannst du uns mit deinem Feedback dabei helfen?“

Boah, damit hättet ihr mich sofort. Mein Helfersyndrom kickt dann instant. (Das ist auch literally der Grund, warum ich die mittelmäßige Pitch-Mail nicht ignoriert habe, sondern stattdessen diesen How-to-verbesser-deine-Pitch-E-Mail-Blogpost schreibe.)

Das ist meine Achillesverse, für andere Blogger:innen mag sie woanders liegen. Deswegen lohnt sich Recherche so sehr, bevor man Pitch-Mails raussendet. Unbedingt vermeiden sollte man ein arrogantes oder forderndes Auftreten. In der PR schuldet dir niemand was und dementsprechend ist ein freundliches und sympathisches Auftreten mega wichtig.


Übrigens will ich mich hier nicht als PR-Profi profilieren. Das ist nicht mein Metier, ich kann hier nur meine Perspektive als Empfängerin solcher Pitches schildern. (Mein persönlicher Ansatz ist ja eher: statt in other people’s audiences reinzukommen, bau dir lieber eine eigene auf 🤭)

An der Stelle will ich Henrike Redecker empfehlen – sie ist *wirklich* PR-Profi und ich habe schon viel von ihr über PR gelernt, da ich in den letzten Jahren bei der Konzeptentwicklung für ihren PR-Workshop und ihren PR-Podcast mitgewirkt habe.

Also, liebes Startup, und an alle, die hier mitlesen: Mittelmäßige PR-Pitch-Mails funktionieren nicht. Macht es ganz oder gar nicht 🙂

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