Vorverkauf (ist nicht) für Anfänger

Wisst ihr, was mich richtig nervt? Wenn Leute in Podcasts (oder anderem Content…) Ratschläge geben, die sich an Anfänger:innen richten, aber für genau jene eigentlich nicht geeignet ist.

Konkret denke ich an Vorverkäufe. „Pre-Selling“ ist einer dieser Ratschläge, die ich immer wieder höre:

  • just pre-sell your offer before you create it!
  • just test out your idea with a pre-sale, and if not enough people buy, just refund them!
  • you should get paid to create!

Sorry für Englisch und Denglisch, aber ich konsumier nunmal größtenteils englischsprachigen Content zu Business-Themen…

Die Vorteile von Vorverkäufen

(Diese Alliteration (?) konnte ich mir nicht durch die Lappen gehen lassen…)

Also, grundsätzlich haben die Business Gurus ja Recht, wenn sie die Vorteile von Presales aufzählen:

  • man kann sich sicher sein, dass die Idee gut ankommt
  • man kann einen „Hype“ direkt nutzen
  • falls man für die Erstellung des Produkts Kosten hat, muss man nicht in Vorleistung gehen
  • weniger Prokrastination, das Produkt jetzt auch wirklich zu erstellen, denn jetzt hat man eine Deadline!
  • mehr Motivation, denn die Leute freuen sich auf das fertige Produkt

… und warum ich trotzdem niemals einer Anfängerin raten würde, einen Vorverkauf zu starten:

First of all: it’s fucking scary. There, I said it.

Oder, um das nochmal genauer aufzudröseln: Wenn man zum ersten Mal einen Vorverkauf startet, hat man 1000 Fragen auf verschiedenen Ebenen. Von der blanken Logistik bis hin zu „Omg-kann-ich-das-überhaupt-Hallo-Impostor-Syndrom„.

Psychologische Aspekte

  • Wer bin ICH, den Leuten was zu verkaufen?!
  • Ohje welchen Preis soll ich verlangen?
  • Was, wenn ich das doch nicht schaffe?
  • Verkaufe ich gerade heiße Luft? OMG ich bin ein Scammer!!
  • Ich warte lieber ab…

Konzeptionelle Aspekte

  • was genau verkaufe ich da?
  • Woher soll ich jetzt schon wissen, die lang der Kurs wird oder welche Form das Produkt annehmen wird?
  • wie soll ich das nennen? Ich brauche einen Titel.. und ein Logo…
  • Wie viel Konzept reicht für einen Vorverkauf aus? Ich muss doch nochmal ans Reißbrett..

Logistische Aspekte

  • Welches Tool kann ich nutzen, um Geld einzusammeln?
  • Kriegen die Leute dann ne Rechnung?
  • Wie ist das mit der Buchhaltung und Co? OMG Steuern
  • Was, wenn jemand seinen Kauf stornieren will?
  • Muss ich mir jetzt einen Shop bauen?!

Für Business-Gurus, die das schon seit Jahren machen, sind diese Fragen kein Problem mehr. Sie machen sich diese Gedanken gar nicht und können auf eine bewährte Infrastruktur aus Bezahlsystem, E-Mail-Service-Provider, CMS und Co zurückgreifen.

Und ich glaub genau das stört mich am meisten: Für die Fortgeschrittenen ist das kein Problem, und deswegen empfehlen sie das den Anfänger:innen, aber sie haben nicht die Empathie, um die Lage der Anfänger:innen zu sehen.

Alternativen zum Vorverkauf

Wenn Business-Anfänger:innen eine Produktidee haben, würde ich ihnen stattdessen das raten:

Ein Produkt ist ja mehr oder weniger passiv. Ich meine nicht nur passives Einkommen, sondern ich meine die fehlende Möglichkeit einzuwirken.

Also: Wenn ich ein Buch schreibe, einen Onlinekurs erstelle oder eine App programmiere, und dieses Produkt dann fertig „übergebe“, liegt es in der Hand der Käufer:innen wie sie damit umgehen und ob sie es nutzen.

Es könnte passieren, dass ein Kapitel im Buch zu langweilig oder zu verwirrend ist, und die Leute es dann weglegen. Es könnte passieren, dass eine Person im Onlinekurs an einer Stelle ‚hängen bleibt‘ und dann frustriert aufhört. You get the point… Durch den abgeschlossenen, passiven Charakter des Produkts können wir nicht eingreifen und der Person über dieses Hindernis hinweg helfen.

Deswegen würde ich vorschlagen, neue Themen- und Businessideen erst in einem aktiven Format zu testen und zu entwickeln:

  • Done-for-You-Dienstleistung
  • Beratung oder Coaching
  • Workshop (Btw wenn du von mir workshoppen lernen wilst: guck auf methodisch-flexibel.de vorbei!!)

Wenn wir uns dann auf der inhaltlichen Seite sicher sind, können wir das Format ändern. Und da wir durch die aktive Form schon viele Kontakte geknüpft haben, Kund:innen gewonnen haben (Testimonials!!), im besten Fall eine Online-Präsenz aufgebaut haben (Working in Public!), brauchen wir dann entweder gar keinen Pre-Sale mehr, oder zumindest fallen die konzeptionellen und psychologischen Aspekte weg und wir müssen uns ’nur noch‘ um die logistischen To-Dos des Vorverkaufs kümmern.

Also, falls irgendein Business-Newbie sich über Google hier her verirrt hat: Mach dir keine Sorgen, es ist okay, wenn du dich noch nicht traust, etwas vorzuverkaufen 🙂

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