Vortrag vs. Workshop

Der Unterschied zwischen Workshops und Vorträgen (und welche ich bevorzuge)

Neulich hatte ich ein Vorgespräch für einen Workshop: Ich sollte ein Modul einer Fortbildung gestalten, Thema – mal wieder – Öffentlichkeitsarbeit.

Gestalten Sie das dann auch interaktiv und kurzweilig?„, fragte meine Ansprechpartnerin mit besorgtem Unterton. „Die letzte Gastreferentin hat nur drei Stunden geredet… Also, fachlich war die top, aber es war schon echt anstrengend, nur zuzuhören.

Dieses Phänomen ist ein Klassiker: Die Formate Workshop und Vortrag werden miteinander vermischt. Die einen verstehen darunter dies, die anderen das. Man bestellt einen Workshop und kann sich nicht sicher sein, dass man da wirklich ein interaktives Format erhält, bei dem man etwas gemeinsam erarbeitet. Wenn man Pech hat – wie meine Ansprechpartnerin aus dem Telefonat – wird man drei Stunden mit Frontalinput beschallt. (Wollte hier erst eine Analogie mit vernünftigem norddeutschen Kartoffelsalat und der schwäbischen Essigvariante bringen, aber auf den Kulturkrieg verzichte ich.)

Format Vortrag

Okay, Beschallung klingt jetzt sehr negativ, aber das meine ich gar nicht so pauschal. Es gibt verschiedene Arten von Vorträgen und sie haben natürlich auch ihre Vorteile. Es gibt zum Beispiel informierende, argumentative oder motivierende Vorträge. Während ein Workshop mit zu vielen Teilnehmer:innen nicht mehr funktioniert, sind Vorträge wunderbar skalierbar, wie man es im Startup-Jargon sagt; sprich, ob ich zu zehn oder zehntausend Leuten spreche, macht keinen großen Unterschied. Dementsprechend ist es auch eine große Ehre, wenn man bei einer Veranstaltung einen Vortrag oder gar die Keynote* halten darf. (*Hiermit ist nicht die PowerPoint-Alternative von Apple gemeint, sondern ein besonders wichtiger Vortrag bei einer Veranstaltung, z.B. zum Auftakt oder zum Abschluss). Andererseits hinterlassen Vorträge meist weniger Wirkung, weil die Teilnehmer:innen größtenteils passiv bleiben. Ja, ich habe durch den Vortrag vom neuen Trend erfahren oder überzeugende Argumente gehört, aber ob ich dann wirklich etwas umsetze, steht in den Sternen. Beim Workshop hingegen – und jetzt kommen wir schon zu diesem Medium – wird angepackt.

Format Workshop

Wie bereits angedeutet ist der Workshop eher für eine kleinere, intimere Runde. Hier wird nicht nur gelabert, sondern angepackt. Ein Workshop vermittelt Input mit Praxisteilen – so dass der erste Schritt von alleine passiert. Damit lockt man die Teilnehmer:innen oft aus der Komfortzone. Im Vortrag kann ich mit verschränkten Armen in der vorletzten Reihe sitzen und „Humbug“ murmeln. Im Workshop ist diese Verweigerungshaltung schwieriger, Stichwort Peer Pressure. Und wenn ich die neue Sache/Technik/Methode dann mal probiert habe, finde ich vielleicht sogar Gefallen daran. Aha-Erlebnisse sind schließlich intensiver, wenn sie aus der eigenen Beschäftigung mit der Sache kommen, als nur von einem äußeren Input.

Die Verbindung zum Publikum ist bei Workshops enger, und als Leiterin (oder Dozentin, oder meinetwegen Trainerin…) muss ich flexibel reagieren können. Einen Vortrag kann ich 20x üben, bis er perfekt einstudiert ist. Einen Workhop kann (und muss) ich planen; aber es vertieft sich immer mal eine Diskussion oder Übung so sehr, dass sie den Rahmen sprengt und ich umdisponieren muss. Oder das Gegenteil: Für eine Übung waren 15 Minuten einkalkuliert, aber die TN sind auf Zack und schon nach der Hälfte der Zeit fertig.

Vortrag vs. Workshop: Was ist besser?

Es liegt natürlich an den Auftraggeber:innen, für welches Format sie jemanden suchen. Aber wenn ich gefragt werde, bzw. die Entscheidung beeinflussen kann… Dann habe ich einen klaren Favoriten.

Zugegeben, wenn man die beiden vorherigen Absätze miteinander vergleicht, könnte man denken, dass für mich als Gestalterin die Vorträge angenehmer sind. Ich kann sie besser planen und „einüben“, sie sind oft prestigeträchtiger und verlangen aufgrund der geringen Interaktion weniger Flexibilität. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall: Ich mag Workshops viel lieber als Vorträge!

Ich könnte mir jetzt natürlich auf die Fahnen schreiben, dass es mir vor allem um den Lernerfolg der Teilnehmer:innen geht, der bei Workshops höher ist. Aber es gibt auch egoistische Gründe, warum ich Workshops bevorzuge:

  1. Vorträge sind starr, bei Workshops kann ich aufs Publikum eingehen. Dadurch hab ich ein besseres Gefühl dafür, ob das grade gut läuft oder nicht.
  2. Bei Vorträgen habe ich das Gefühl, eine Performance abliefern zu müssen: All eyes on me und 95% der Redezeit in meiner Hand. Bin ich gar nicht so ein Fan von.
  3. Bei Workshops erarbeiten wir gemeinsam etwas – das macht einfach viel mehr Spaß, als nur etwas vorzuleiern.
  4. Zu vielen Themen habe ich schon Content gemacht – das einfach nochmal nachzusprechen erscheint mir ehrlich gesagt wie eine Ressourcenverschwendung.

Die Rolle als Workshopleiterin

Im Workshop Survival Guide (Book Notes hier) gibt es ein Kapitel mit dem passenden Namen „Don’t start with the slides“. Das ist nämlich ein Fehler, den Workshop-Anfänger:innen gerne machen. Sie erstellen Folien mit aaaaall den Dingen, die sie erzählen wollen – und geraten damit leicht in einen Erklärbär-Modus.

Tatsächlich ist die Rolle als Workshopleiterin aber eine andere: Ich soll nicht etwas präsentieren (das mache ich im Vortrag), sondern ich muss überlegen, wie ich die Leute dazu bringe, das zu lernen, was ich als Lernziel des Workshops festgelegt habe: zu einer Erkenntnis kommen, eine Grammatikregel anwenden können oder das Problem aus einer anderen Perspektive sehen.

Oder, am Beispiel erklärt:

Bei einem Social-Media-Vortrag kann ich sagen „es gibt einen Algorithmus, der funktioniert soundso und ihr müsst das und das machen…“

Oooder ich mache einen Social-Media-Workshop und bitte die leute, ihr Handy rauszuholen und ihre Instagram Explore Page aufzumachen. Dann frage ich: „Was seht ihr denn da?“ Der eine sieht Workout-Videos, die andere Memes. Davon ausgehend kann ich dann weiterfragen: „Warum siehst du denn wohl Memes, Jenni?“ Durch Fragen, nicht Erklärungen komme ich beim Workshop um (Lern-)Ziel.

„Dein Job als Dozent:in ist eigentlich, dafür zu sorgen, dass die anderen denken, sie wären selber auf die Idee gekommen.“

Ein Teilnehmer in einer Fortbildung zum Thema digitale Lehre

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