Einmal ist, äh, lohnt sich keinmal.

Letzte Woche sprach ich mit meiner Mutter über meine Seminare und erzählte ihr freudig, dass ich mein Digitale Kompetenzen-Seminar im Wintersemester wieder anbieten werde.

„Wie?! Du darfst einfach nochmal das Gleiche machen?!
Die Uni ist damit einverstanden?!“

Meine Mama hat nicht studiert und dementsprechend kennt sie sich nicht damit aus, was für Seminare man als Studi so belegen muss, und vor allem was sich hinter den „Übergreifenden Kompetenzen“, „Schlüsselqualis“, „Studium Universale“, „Studium Integrale“ oder wie auch immer sich der Wahlpflichtbereich an den verschiedenen Unis nennt, verbirgt.

Wenn du immatrikuliert bist, wird dir schon aufgefallen sein, dass du Semester für Semester die gleichen Angebote im Vorlesungsverzeichnis findest. An meiner Alma Mater ist zum Beispiel jedes Semester ein „Digitale Rhetorik“-Seminar sehr präsent, weil es in der uniweiten Rundmail beworben wird. (Und außerdem hat es den Ruf, viele ECTS für verhältnismäßig wenig Aufwand zu geben, aber das ist eine andere Sache…)

Manchmal MUSS eine Dozentin ein Seminar mehrmals halten, damit es sich überhaupt lohnt.

In meiner Arbeit als Dozentin, Lehrbeauftragte oder meinetwegen Trainerin bin ich in einer paradoxen Situation: Wenn ich für Unternehmen oder Organisationen arbeite, kann ich denen ein ganz normales Angebot schreiben und aus der Kombination meiner Vorbereitungszeit (= Konzeption, Recherche, Materialerstellung) und der Durchführung (= den eigentlichen Workshop) ein Honorar ermitteln.

Wenn ich für professionelle Weiterbildungseinrichtungen (z.B. Volkshochschulen, Hochschulen, Bildungsträger) tätig werde, kann ich das nicht. Da wird lediglich ein pauschales Honorar pro Stunde (60 Minuten) oder Unterrichtseinheit (UE, 45 Minuten) gezahlt und da ist ALLES drin. Unterrichtsvorbereitung, Mails hin- und herschicken, Ilias einrichten, Hausaufgaben korrigieren, achja – und natürlich die Anwesenheit.

Dementsprechend ist klar, dass die erste Runde eines Seminars oder VHS-Kurses einen sehr sehr mickrigen Stundenlohn mit sich bringt und dieser erst in den folgenden Runden steigt, wenn der Großteil der Vorbereitung erledigt ist und man „nur noch“ die Anwesenheit leisten muss.

Leidet die Lehre, wenn eine Seminar immer und immer wieder wiederholt wird?

Um die Frage meiner Mutter zu beantworten: Ja, die Uni ist damit einverstanden, ein Seminar nochmal zu machen – wenn es beim ersten Mal genug Nachfrage gab und gutes Feedback. Bei Praxis- oder Service-Learning-Seminaren geht das natürlich nicht, aber bei einem normalen Seminar ist das kein Problem.

Aus der aktuellen Runde habe ich mir einige Punkte aufgeschrieben, die ich beim nächsten Mal besser oder transparenter machen kann. Im WiSe wird das Seminar also – wenn alles klappt – für die Studis noch angenehmer.

Andererseits gibt es auch Seminarthemen, in denen es fatal wäre, wenn die Dozentin einfach die Inhalte vom letzten Mal übernimmt. Man denke an sich schnell ändernde Felder wie Soziale Medien, Technologie, zeitgenössische Politik oder Jura. Stellt euch vor, ein Dozent hält eine Vorlesung über US-amerikanische Politik und ist noch auf dem Stand von Obama ? Oder eine Dozentin macht ein Social-Media-Seminar und erzählt da was von Google+ ??

Unfaire Entlohnung

Wenn nur die Präsenzzeit eines Seminars entlohnt wird und die Vorbereitungszeit von den Bildungsträgern ignoriert wird, kann es passieren, dass…

  • interessante und kompetente Dozent*innen in spe keine Lehraufträge annehmen, weil es sich finanziell nicht lohnt.
  • nicht viel Mühe in die Seminarvorbereitung oder -überarbeitung gesteckt wird.
  • Berufseinsteiger*innen sich selbst ausbeuten, weil sie (aus Unsicherheit) sehr viel unbezahlte Zeit in die Vorbereitung stecken.

Wie man das beheben könnte? Indem die Vorbereitungszeit anerkannt und entlohnt wird. Da könnte man ja durchaus flexibel sein und bei der ersten Durchführung eines Seminars einmalig mehr zahlen. Oder die Vorbereitungszeit mit einem etwas geringeren Stundensatz als die Durchführung bewerten. In der Wirtschaft wird das ja auch akzeptiert, wenn ich die Vorbereitungs- und die Workshopzeit in meinen Angeboten trenne.

Übrigens, um das einzuordnen: Ich verdiene mit ein oder zwei Workshops in der Wirtschaft so viel wie mit dem Uni-Honorar für ein ganzes Semester. Aus ökonomischen Gesichtspunkten ist es also Quatsch, dass ich weiterhin an der Uni bin. Ich mache es aber trotzdem, weil mir (a) die Arbeit mit den Studis Spaß macht und (b) ich dort eine kreative Freiheit in meinen Seminaren habe. Das hat übrigens einen kuriosen Grund. Aber davon erzähle ich euch ein andern Mal.

(P.S.: Seid bitte nett zu den externen Dozent*innen an euren Hochschulen!)

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