working for free – wann und wie ich pro bono arbeite

Der konkrete Anlass, heute über das Thema „ohne Bezahlung arbeiten“ zu schreiben ist eine Passage aus The Working Woman’s Handbook. Eigentlich spukt es mir aber schon seit Monaten im Kopf herum, darüber zu schreiben. Im Sommer 2019 hatte ich mich auf ein Pro-Bono-Projekt eingelassen, das waaaay arbeitsintensiver war als gedacht. Das ist jetzt ENDLICH abgeschlossen und trägt womöglich jetzt die ersten Früchte. Aber fangen wir von vorne an:

Arbeiten ohne Honorar

Hier möchte ich erstmal zwischen verschiedenen Arten unterscheiden:

  1. Unbezahltes Praktikum (Bezahlung: Lernerfahrung, Praktikumszeugnis, Zugang zu Volos etc)
  2. Ehrenamt/soziales Engagement (nicht unbedingt fachbezogen; aus persönlichen Werten heraus)
  3. Pro-Bono-Projekte von Freiberufler*innen (z.B. Fotografin fotografiert auf einer (Charity-)Veranstaltung ohne Honorar)
  4. Kostenlose Arbeit als Freundschaftsdienst für Familienmitglieder oder gute Freund*innen
  5. Arbeit, die veröffentlicht wird (Wie dieser Blog; Content, der nicht unbedingt Content Marketing ist)

Zu allem dazu habe ich eine Meinung (of course ✌?), aber hier geht es um den Fall Nummer 3, also eine Dienstleistung for free zu erbringen, für die man normalerweise ein Honorar berechnet.

Mein Pro-Bono-Projekt

Ich erzähle mal, wie das letztes Jahr ablief: Im Rahmen eines größeren Pilotprojekts wurde ich angefragt, ob wir (Luisa & ich) ein Video vom Veranstaltungstag machen können. Diese Idee habe ich direkt verworfen, weil wir zwar ein bisschen Videoerfahrung und Amateurequipment haben, wir uns ein Eventvideo aber nicht zugetraut haben. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr genau, wie das Meeting ablief und ob ich die Idee hatte oder ob sie von der anderen Partei kam – auf jeden Fall einigten wir uns dann darauf, dass Luisa und ich eine Broschüre zum Projekt (redaktionell) gestalten.

Der Plan: Wir nehmen an der Veranstaltung teil, interviewen ein paar Leute, schreiben daraus Texte und machen die Bildauswahl. Achja, und dann müssen wir ein paar Wochen oder Monate nochmal Leute interviewen, da bei der Veranstaltung Kollaborationen vereinbart wurden und ein paar der Ergebnisse in die Broschüre kommen sollten.

Der Plan in der Realität: Der erste Teil (Interviews bei der Veranstaltung) lief problemlos, hat Spaß gemacht und war auch nicht so viel Arbeit. Wir haben die Interviews am Veranstaltungstag mit einem Audioaufnahmegerät aufgenommen, ein paar Wochen später angehört und jeweils die besten Stellen gesammelt und daraus den Hauptteil der Broschüre geschrieben. Drei weitere Seiten sollten jetzt mit den Erfahrungsberichten der Kollaborationen gefüllt werden. Tja, und hier sind 75% der gesamten Arbeit reingeflossen ? Es war super aufwändig, den Leuten zu schreiben, sie um Texte zu bitten, hinterherzutelefonieren und die erhaltenen Texte umzuschreiben. Ganz ehrlich? Wenn ich gewusst hätte, dass der Auftrag so stressig wird, hätte ich ihn nicht pro bono angenommen.

Aber apropos…

Wann ist es okay, ohne Bezahlung zu arbeiten?

Ich habe in letzter Zeit darüber nachgedacht, unter welchen Bedingungen es für mich (!) okay ist, ohne Honorar zu arbeiten. (Es gibt sicher Leute, die der Meinung sind, dass unbezahlte Arbeit niemals in Ordnung ist, aber dem stimme ich nicht zu 100% zu.) Das hier ist meine Antwort:

Die Skala umfasst die Art von Arbeit die ich mache: von links (einfache Sachen, Routineaufgaben) nach rechts (schwierige oder innovative Aufgaben). Meine beiden Sweet Spots für Pro-Bono-Arbeit sind ganz links und ganz rechts. Mit (für mich!) einfachen Aufgaben habe ich jemandem schon ein Stück geholfen, ohne selbst viel Arbeit oder Hirnschmalz dafür reservieren zu müssen. Aufgaben, die ganz rechts angesiedelt sind, sind für mich auch neu und bieten mir eine Chance, zu lernen. So wie bei der Broschüre, die sonst nicht in meinem Angebotskatalog gelandet wäre. Der Bereich in der Mitte ist das, womit ich normalerweise mein Geld verdiene. Deshalb finde ich es hier schwierig, diese Tätigkeit öfter ohne Honorar zu machen. Wenn, müssen hier auf jeden Fall die Rahmenbedingungen stimmen.

Nochmal zur Skala: Für mich als Dozentin besteht der mittlere Bereich aus den Workshops und Seminaren, die ich halte. Ganz links wäre zum Beispiel, Feedback zu einem Seminarplan zu geben oder mich bei einer Veranstaltung zu einer 10-minütigen FAQ-Runde zuschalten zu lassen. (Hab ich schonmal gemacht, war witzig) Ganz rechts wäre dann die Teilnahme an einem innovativen Projekt, z.B. bei der ersten Runde einer neuen Konferenz als Speakerin dabei zu sein. (Hab ich auch schonmal gemacht und das zweite Mal ist in Planung)

  • Wenn ich Fotografin wäre, würde das vielleicht so aussehen: Ganz links: einen Pickel wegretouschieren. Mitte: Fotoshooting. Rechts: Fotoshooting an einer besonderen Location, die sonst nicht zugänglich wäre.
  • Wenn ich Grafikdesignerin wäre, wäre links das Vektorisieren einer Skizze mit meiner Profi-Software, in der Mitte das Design eines Logos und rechts das Erstellen einer 3D-Grafik für einen Instagram-AI-Facefilter.
  • Wenn ich Schmuckdesignerin wäre, wäre links der Austausch eines kaputten Verschlusshakens, in der Mitte Schmuckkreation und rechts das Design einer Charity-Kollektion.
  • Wenn ich… you get the point, oder?

Grundsätzliche Rahmenbedingungen für Arbeit ohne Honorar:

  • Boundaries (das war auch der Tipp aus WWH)
  • klares Briefing
  • Tätigkeiten, die ich gerne mache
  • Sympathie ggü. Auftraggeber*in
  • Gutes Gefühl bei der Sache
  • paid gigs haben Vorrang

Zwei Fragen Könnten sie dich bezahlen? (Beispiel Indie-Festival vs. etabliertes Unternehmen) Bezahlen sie die anderen? Bei „meinem“ Projekt haben der Fotograf und das Videoteam auch pro bono gearbeitet; die Location und das Catering wurden von einem Projektpartner gestellt. Wenn sie alle außer dir bezahlen, nehmen sie dich nicht ernst.

Andere Formen der „Bezahlung“

1. Networking: Pro Bono zu arbeiten ist eine Möglichkeit, an besonderen Projekten mitzuwirken. Die Verbindungen können später helfen, interessante (bezahlte!) Aufträge zu bekommen.

2. Lernen: Während man bei normalen bezahlten Aufträgen ja in der Regel keine Experimente eingehen will, weil man die abgesprochene und bezahlte Leistung abliefern will, kann man bei besonderen Projekten ja mal etwas anders machen oder eine neue Technik ausprobieren.

3. Portfolio: Mein Portfolio soll meine Fähigkeiten und Interessen widerspiegeln. Deshalb kann es meiner Meinung nach auch Projekte beinhalten, die ich alleine oder pro bono für andere gemacht habe.

Übrigens: „Reichweite“ und „Wenn du dich gut anstellst, geben wir dir Folgeaufträge“ sind beschissene Argumente und keine Bezahlung. Glaubst du, jemand der dich für deine erste Arbeit nicht bezahlen wollte, wird deine weitere Arbeit wertschätzen? Wird dich vernünftig briefen und bezahlen? Wird deine Arbeitsbedingungen respektieren? Hell no.

Methode für den Umgang mit Pro-Bono-Anfragen

Falls es dir (zu) oft passiert, für kostenlose Dienstleistungen angefragt zu werden, könntest du die folgende Methode anwenden: Setze dir ein monatliches Kontingent, zum Beispiel einen halben Tag, für Pro-Bono-Projekte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es so weniger unangenehm ist, eine Anfrage abzusagen. „Mein Kontingent ist aufgebraucht“ klingt besser als „Ich will euch nicht helfen“, oder? Hier eine kleine Vorlage:

Hallo [Name], vielen Dank für deine Anfrage. Das klingt nach einem spannenden Projekt! Wenn ich deine Anfrage richtig verstehe, könnt ihr für [Tätigkeit] kein Honorar bieten. In dem Fall kann ich das leider nicht übernehmen, weil mein Pro-Bono-Kontingent für [Monat/Quartal] schon vergeben ist.

Das Beste daraus machen

Abgesehen vom Dank der anfragenden Person und der Nennung in den Credits, kann auch proaktiv dafür sorgen, dass einem die kostenlose Arbeit „etwas bringt“:

  • Dokumentieren, was man gemacht & gelernt hat (z.B. hier)
  • darüber bloggen (wenn okay für alle Beteiligten)
  • Notizen über die Arbeitszeit, verwendete Tools etc. machen

Letzteres ist ein Punkt, den mal selber besser beherzigt hätte! Vor kurzem habe ich mit einer Person gesprochen, die nach einer Möglichkeit gesucht hat, ihr Projekt und die Ergebnisse daraus darzustellen. Das Projekt ähnelt dem 2019er Projekt und die Ansprechpartnerin war sehr begeistert, als ich ihr von der Broschüre erzählte. Sie hat mich gebeten, ihr ein Angebot darüber zu schreiben, auch für sie eine solche Broschüre zu kreieren. Jetzt stehe ich vor der Aufgabe, die zugehörigen Arbeitsschritte und die jeweils benötigte Zeit aufzulisten und das Angebot zu kalkulieren. Mit einer ausführlichen Dokumentation wäre das jetzt schneller und einfacher für mich. Aber hey, das ist Meckern auf hohem Niveau. Schließlich war es für diesen Auftrag in spe schon sehr hilfreich, von meinen Erfahrungen mit dem Broschürenprojekt erzählen zu können. Das ist ein Beispiel dafür, dass es sich langfristig lohnt, ab und zu auch mal ohne monetäre Entlohnung an Projekten mitzuwirken.

von

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