aka: wie ich meine Prinzipien über Bord werfen musste, um die Kurve zu kriegen
Hi, ich bin Kato und ich verdiene meine Brötchen als selbstständige Dozentin. Bevor ich euch von meiner schlimmsten Workshop-Erfahrung erzähle, muss ich ein bisschen ausholen.
Seit März arbeite zu 99% online (über das Präsenz-Debakel habe ich im Oktober-Recap geschrieben) und durchaus erfolgreich. Aktuell bin ich in der komfortablen Situation, dass ich auf der einen Seite in den letzten Jahren so viele verschiedene Workshops zu meinem Themenfeld gegeben habe, dass ich ein großes Repertoire an Übungen und Seminarplänen in der Hinterhand habe und mir das Konzipieren neuer Workshops leicht von der Hand geht; und auf der anderen Seite wird es noch nicht langweilig, weil ich zum hundertsten Mal das Gleiche erzähle. (Irgendwann werde ich an den Punkt kommen, aber das ist dann Zukunfts-Katos Problem.)
Am allerliebsten mache ich Strategie-Workshops. Das liegt daran, dass ich irgendwann gemerkt habe, dass mir das strategische und spontan-kreative Denken besonders gut liegt und ich mit meinen Workshops den größten Mehrwert liefern kann, wenn wir dabei an der (Kommunikations-)Strategie meiner TN arbeiten. Was ich hingegen hasse: medien-unaffinen Leuten erklären, auf welchen Button sie drücken müssen, um bei [beliebiges Soziales Netzwerk hier einfügen] ein Foto hochzuladen. Das macht mir keinen Spaß und fühlt sich wie Verschwendung an. Stellt euch vor, ihr geht in ein nobles Restaurant und bestellt euch da ein Butterbrot oder einen Teller Nudeln (die ihr zuhause auch noch passabel hingekriegt hättet), an Stelle irgendeines ausgefallenen Gerichts, das ihr euch niemals selbst kochen würdet oder könntet. Ja, ich bin in dieser Analogie die Chefköchin und koche euch grummelnd Pasta, statt euch mein geiles vegetarisches Spitzengericht zu servieren. ???
Okay, jetzt zur Geschichte. Die Ehrenamtsbeauftragte meiner Stadt bat mich vor ein paar Monaten, ihr ein paar Vorschläge für einen Social-Media-Workshop im Rahmen der Fortbildungsreihe für Engagierte zu machen. Ich – keinen Bock auf Nudeln mit Tomatensoße – schrieb ihr also ein Konzept für einen deepen zweiteiligen Strategieworkshop für Fortgeschrittene. Kein „so und so viel Millionen User hat Facebook“ (tbh nobody cares), kein „das ist der Unterschied zwischen Instagram Feed und Instagram Story“, um Gottes willen keine Definition von Hashtags. Meine Ansprechpartnerin fand den Vorschlag gut, wir vereinbarten einen Termin und ich schrieb einen Beschreibungstext für den Workshop, um klar zu machen, dass es hier um Strategie geht und dass man bereits Grundkenntnisse der sozialen Netzwerke mitbringen muss.
So weit, so gut.
Im November kam dann er erste Termin. Wie soll ich sagen? Es fing schon richtig scheiße an, bevor es überhaupt losging. Von der Bildungseinrichtung, über die offiziell die Durchführung lief, bekam ich einen Haufen Papier per Post (lol), u.a. mit Anwesenheitslisten mit Durchschlagpapier zum Unterschreiben (lol²). Den Zoom-Zugangsdaten musste ich hinterherlaufen. Fünf Minuten vor Start des Workshops war niemand im Warteraum. Zwei Minuten vor Start immerhin drei Leute. Wow.
Die ersten Minuten des Workshops waren super awkward. Viel weniger Leute als angemeldet, die meisten ohne Kamera, viele Verspätungen, und mehrere Leute, die weder per Audio noch per Chat Hallo sagten. Es gab in den letzten Monaten ja viele Diskussionen darüber, dass es unhöflich und unangenehm ist, wenn man als Workshopleiterin, Referentin oder Meetingleiterin nur schwarzen Kacheln gegenübersitzt. Das macht mir persönlich aber gar nichts aus, wenn ich zumindest per Audio oder Chat mit den Leuten in Kontakt stehe. Tja, wenn. Dass die Leute aber nichtmal kurz „Hallo, hab keine Kamera“ oder einfach nur „Hallo“ in den Chat schreiben, habe ich aber auch schon lange nicht mehr erlebt.
Die Inaktivität, die sich von Beginn an gezeigt hat, zog sich dann durch den ganzen Workshop durch. Und es waren leider nicht nur 60 oder 90 Minuten, die ich hier durchhalten musste, sondern ein ganzer verdammter Abend (mit kürzeren und einer längeren Pause fürs Abendbrot). 80% waren ohne Kamera da und bis auf 3,4 Leute, die (auf Ansprache!) reagierten und mitmachten, blieben sie auch stumm. Einmal habe ich beim Wechseln des Screensharings aus Versehen die Kamera ausgemacht. Nach ein paar Minuten schrieb dann eine Teilnehmerin per Chat-Privatnachricht, ob ich bitte wieder meine Kamera anmachen könne – sie könne dann konzentrierter zuhören. Drei Mal dürft ihr raten, ob sie ihre eigene Kamera anhatte. ?
Übrigens, wenn ich hier von „Mitmachen“ schreibe, sollte vor eurem geistigen Auge NICHT das Im-Matheunterricht-an-die-Tafel-gerufen-werden aufploppen. Das fand ich selber scheiße und möchte natürlich niemanden in meinem Workshop bloßstellen. Es geht eher um sowas wie:
Wer von Ihnen kennt das/hat das schonmal gesehen/gemacht?
Was sieht man auf diesem Bild? Was fällt Ihnen ins Auge? Wie wirkt das auf Sie?
Wie finden Sie das? Gut oder schlecht? Warum?
Würden Sie dem zustimmen? Schreiben Sie mal „ja“ oder „nein“ in den Chat!
Ihr seht: mitmachen kann hier jede Person. Die Frage ist, ob sie will. Außerdem – und deswegen habe ich am Anfang so ausgeholt – habe ich all diese Übungen und Beispiele schon in einem Dutzend anderer Workshops besprochen. Ich weiß ganz genau, dass immer 2-3 Personen XY schon gemacht haben; dass ihnen im Bild dieses oder jenes auffällt und dass die Mehrheit das gut findet. Ich kenne meine Pappenheimer.
Meine Workshops sind ziemlich interaktiv und bauen darauf, dass die TN und ich etwas gemeinsam erarbeiten. Ist ja schließlich ein WORKshop, keine Vorlesung, gell? Wenn da so gar nichts zurückkommt, zieht sich so ein Abend also wie Kaugummi. Am Ende schloss ich also mit der Bemerkung, dass ich hoffe, dass die TN heute einfach nur einen schlechten Tag hatten und beim zweiten Teil eine Woche später etwas aktiver sind. Bei Fragen oder Themenwünschen fürs nächste Mal könnte man mir auch gerne eine Mail schreiben, bot ich an.
Oh boy, und was für eine Mail kam.
Am Abend und am folgenden Tag war ich ehrlich gesagt ein bisschen sauer, dass die TN sich so verweigert haben. Wie würde ich nächste Woche reagieren? Am Anfang eine Standpauke halten und Beteiligung einfordern? Das ganze ignorieren und so weitermachen wie vorher? Den Seminarplan umbauen und mit plumpen Canva-Tutorials statt meinem Lieblings-Strategy-Talk weitermachen?
Ich war noch unentschlossen, als ein paar Tage später eine Feedback-Mail von einer Teilnehmerin eintrudelte. Es war eine derjenigen, die netterweise ihre Kamera angelassen und (auf direkte Ansprache) auch mitgemacht hatte. Apropos nett: ich denke, ihre Mail war nett gemeint – es war schließlich auch positives Feedback drin – aber hat bei mir nur Kopfschmerzen verursacht.
Mein persönliches Highlight ist „Frau G., ich bitte Sie“ – was womöglich in Gesprächen mit Jenni auch schon zum Meme geworden ist. Ich möchte den Inhalt jetzt hier nicht nacherzählen, aber nach dem Lesen dieser Mail war die Entscheidung gefallen:
Ihr wollt Frontalunterricht? Ihr kriegt Frontalunterricht.
Es ist ja nicht so, dass ich diese plumpen „Da musst du klicken, um …“-Tutorials nicht machen könnte. Ich will sie nicht machen, weil ich sie für unnötig halte. Statt Instagram, Facebook, Canva oder sonstwas zu erklären, verweise ich lieber auf YouTube-Tutorials oder die tooleigenen Hilfeseiten und widme mich dem, was man nicht mal eben googlen kann: Strategie, frischen Themen, innovativen Formaten, zeitsparenden Workflows, nicen Redaktionsplänen.
Und tatsächlich ist letzteres für mich ja sogar anstrengender als in Canva mit zwei Klicks die Hintergrundfarbe einer Vorlage zu ändern. Aber hey, wenn ihr das wollt, dann liefer ich euch das ?
Beim zweiten Wartetermin waren drei Minuten vor Start nur zwei Leute im Warteraum. Eine halbe Stunde nach offiziellem Start waren wir dann immerhin zu acht, sprich, die Hälfte der ursprünglichen Gruppe ist zum zweiten Termin gar nicht mehr aufgetaucht. Das hat mich nicht überrascht. Ebenfalls nicht überraschend: Auch dieses Mal sprühten die TN nicht gerade vor Mitteilungsbedürfnis und hatten natürlich auch die Hausaufgabe nicht gemacht. Aber das war ja kein Problem, mit meinem neuen Frontalunterrichts-Seminarplan war ich ja bestens gewappnet.
Wer jetzt eine dramatische Wendung wie in einem 90er-Jahre-Hollywoodfilm erwartet, in dem das Loser-Baseballteam nach einer motivierenden Rede in der zweiten Halbzeit plötzlich auf den Platz stürmt und doch noch den Pokal mit nach Hause nimmt: Nein, sorry. Die kommt nicht.
Ich habe mein Programm durchgezogen und mir an jeder Stelle, an der ich normalerweise etwas Interaktives eingeplant hätte, auf die Zunge gebissen, tief Luft geholt und weitergeredet. Als ich es einmal wagte, eine Frage alá „Was halten Sie davon?“ zu stellen, sah ich in der kleinen Webcamkachel die Mundwinkel der E-Mail-Schreiberin spöttisch zucken.
Die Bewertungen des Kurses waren übrigens super. Kein Wunder, schließlich hatte sich die TN-Anzahl nach der ersten Runde schon halbiert und diejenigen, die den zweiten Abend dann und mit Canva und mir verbrachten, haben im Feedbackformular dann auch viele Sterne hinterlassen.
Meiner Ansprechpartnerin bei der Stadt teilte ich dennoch (in Kurzform) mit, dass es scheiße lief, und schickte meine Rechnung. Wir haben dann telefoniert und noch ausführlicher über die Situation gesprochen, über Gründe spekuliert, gemeinsam nochmal den Ausschreibungstext angeguckt und überlegt, wie wir das in der Zukunft verhindern können. Im Text stand klipp und klar, dass es um Strategie geht und dass man Grundkenntnisse haben soll. Wie sich eine Person in den Workshop verirrt, die privat kein SoMe nutzt und nichtmal weiß, ob ihre Organisation eine Facebook-Seite hat, konnten wir uns beide nicht erklären. Die Ehrenamtsbeauftragte hat sich mir gegenüber keine Mühe gegeben, zu zeigen, dass sie genervt war. Sie steckt ja schließlich viel Mühe und Budget in die Planung der Fortbildungsreihe, die für die TN kostenlos ist. Wenn die Angebote dann nur halbherzig genutzt werden bzw. man sich für offensichtlich unpassende Workshops anmeldet, ist das natürlich nicht nur für mich als Dozentin, sondern auch die planenden Stellen dahinter ärgerlich.
Warum lief denn das jetzt so scheiße? Hätte ich meine eigenen Bedürfnisse (Strategie vs. Anfängerworkshop) hintenanstellen sollen? War der Text nicht deutlich genug? Hatte ich einfach Pech?
Fakt ist: Die Grundpfeiler, nach denen ich sonst meine Angebote plane, habe ich hier über Bord geworfen, um den „easy way out“ zu nehmen:
aktive Beteiligung der Mehrheit der Gruppe – hier: schnöder Frontalunterricht
Beispiele aus der Gruppe heraus nehmen und weiterentwickeln (meine Superpower ?) – hier: generische Beispiele zeigen
gemeinsam analysieren, besprechen, erarbeiten – hier: vorkauen
Konzepte und Strategien – hier: low level Tutorials
Wow, es tut fast weh, das so zu schreiben. Fakt ist: Auf keinen Fall werde ich diesen Workshop so nochmal anbieten. Falls wir das im kommenden Jahr nochmal machen wollen, dann auf jeden Fall mit einer aufwändigeren Anmeldung. Ich könnte mir dafür einen Fragebogen, ein Motivationsschreiben oder eine Vorbereitungsaufgabe vorstellen. Wenn dann am Ende nur 8 Leute da sind, ist mir das auch recht. Solange sie mitmachen.
(P.S.: mein zweites Highlight des Workshops kam ganz zu Ende des zweiten Teils. Ich fragte, ob es noch irgendwelche offenen Fragen zu den heute besprochenen Inhalten gebe. Im Chat las ich dann die Frage: „was ist mit tick tok?“ (sic) … )
aka: wie ich meine Prinzipien über Bord werfen musste, um die Kurve zu kriegen
Hi, ich bin Kato und ich verdiene meine Brötchen als selbstständige Dozentin. Bevor ich euch von meiner schlimmsten Workshop-Erfahrung erzähle, muss ich ein bisschen ausholen.
Seit März arbeite zu 99% online (über das Präsenz-Debakel habe ich im Oktober-Recap geschrieben) und durchaus erfolgreich. Aktuell bin ich in der komfortablen Situation, dass ich auf der einen Seite in den letzten Jahren so viele verschiedene Workshops zu meinem Themenfeld gegeben habe, dass ich ein großes Repertoire an Übungen und Seminarplänen in der Hinterhand habe und mir das Konzipieren neuer Workshops leicht von der Hand geht; und auf der anderen Seite wird es noch nicht langweilig, weil ich zum hundertsten Mal das Gleiche erzähle. (Irgendwann werde ich an den Punkt kommen, aber das ist dann Zukunfts-Katos Problem.)
Am allerliebsten mache ich Strategie-Workshops. Das liegt daran, dass ich irgendwann gemerkt habe, dass mir das strategische und spontan-kreative Denken besonders gut liegt und ich mit meinen Workshops den größten Mehrwert liefern kann, wenn wir dabei an der (Kommunikations-)Strategie meiner TN arbeiten. Was ich hingegen hasse: medien-unaffinen Leuten erklären, auf welchen Button sie drücken müssen, um bei [beliebiges Soziales Netzwerk hier einfügen] ein Foto hochzuladen. Das macht mir keinen Spaß und fühlt sich wie Verschwendung an. Stellt euch vor, ihr geht in ein nobles Restaurant und bestellt euch da ein Butterbrot oder einen Teller Nudeln (die ihr zuhause auch noch passabel hingekriegt hättet), an Stelle irgendeines ausgefallenen Gerichts, das ihr euch niemals selbst kochen würdet oder könntet. Ja, ich bin in dieser Analogie die Chefköchin und koche euch grummelnd Pasta, statt euch mein geiles vegetarisches Spitzengericht zu servieren. ???
Okay, jetzt zur Geschichte. Die Ehrenamtsbeauftragte meiner Stadt bat mich vor ein paar Monaten, ihr ein paar Vorschläge für einen Social-Media-Workshop im Rahmen der Fortbildungsreihe für Engagierte zu machen. Ich – keinen Bock auf Nudeln mit Tomatensoße – schrieb ihr also ein Konzept für einen deepen zweiteiligen Strategieworkshop für Fortgeschrittene. Kein „so und so viel Millionen User hat Facebook“ (tbh nobody cares), kein „das ist der Unterschied zwischen Instagram Feed und Instagram Story“, um Gottes willen keine Definition von Hashtags. Meine Ansprechpartnerin fand den Vorschlag gut, wir vereinbarten einen Termin und ich schrieb einen Beschreibungstext für den Workshop, um klar zu machen, dass es hier um Strategie geht und dass man bereits Grundkenntnisse der sozialen Netzwerke mitbringen muss.
So weit, so gut.
Im November kam dann er erste Termin. Wie soll ich sagen? Es fing schon richtig scheiße an, bevor es überhaupt losging. Von der Bildungseinrichtung, über die offiziell die Durchführung lief, bekam ich einen Haufen Papier per Post (lol), u.a. mit Anwesenheitslisten mit Durchschlagpapier zum Unterschreiben (lol²). Den Zoom-Zugangsdaten musste ich hinterherlaufen. Fünf Minuten vor Start des Workshops war niemand im Warteraum. Zwei Minuten vor Start immerhin drei Leute. Wow.
Die ersten Minuten des Workshops waren super awkward. Viel weniger Leute als angemeldet, die meisten ohne Kamera, viele Verspätungen, und mehrere Leute, die weder per Audio noch per Chat Hallo sagten. Es gab in den letzten Monaten ja viele Diskussionen darüber, dass es unhöflich und unangenehm ist, wenn man als Workshopleiterin, Referentin oder Meetingleiterin nur schwarzen Kacheln gegenübersitzt. Das macht mir persönlich aber gar nichts aus, wenn ich zumindest per Audio oder Chat mit den Leuten in Kontakt stehe. Tja, wenn. Dass die Leute aber nichtmal kurz „Hallo, hab keine Kamera“ oder einfach nur „Hallo“ in den Chat schreiben, habe ich aber auch schon lange nicht mehr erlebt.
Die Inaktivität, die sich von Beginn an gezeigt hat, zog sich dann durch den ganzen Workshop durch. Und es waren leider nicht nur 60 oder 90 Minuten, die ich hier durchhalten musste, sondern ein ganzer verdammter Abend (mit kürzeren und einer längeren Pause fürs Abendbrot). 80% waren ohne Kamera da und bis auf 3,4 Leute, die (auf Ansprache!) reagierten und mitmachten, blieben sie auch stumm. Einmal habe ich beim Wechseln des Screensharings aus Versehen die Kamera ausgemacht. Nach ein paar Minuten schrieb dann eine Teilnehmerin per Chat-Privatnachricht, ob ich bitte wieder meine Kamera anmachen könne – sie könne dann konzentrierter zuhören. Drei Mal dürft ihr raten, ob sie ihre eigene Kamera anhatte. ?
Übrigens, wenn ich hier von „Mitmachen“ schreibe, sollte vor eurem geistigen Auge NICHT das Im-Matheunterricht-an-die-Tafel-gerufen-werden aufploppen. Das fand ich selber scheiße und möchte natürlich niemanden in meinem Workshop bloßstellen. Es geht eher um sowas wie:
Ihr seht: mitmachen kann hier jede Person. Die Frage ist, ob sie will. Außerdem – und deswegen habe ich am Anfang so ausgeholt – habe ich all diese Übungen und Beispiele schon in einem Dutzend anderer Workshops besprochen. Ich weiß ganz genau, dass immer 2-3 Personen XY schon gemacht haben; dass ihnen im Bild dieses oder jenes auffällt und dass die Mehrheit das gut findet. Ich kenne meine Pappenheimer.
Meine Workshops sind ziemlich interaktiv und bauen darauf, dass die TN und ich etwas gemeinsam erarbeiten. Ist ja schließlich ein WORKshop, keine Vorlesung, gell? Wenn da so gar nichts zurückkommt, zieht sich so ein Abend also wie Kaugummi. Am Ende schloss ich also mit der Bemerkung, dass ich hoffe, dass die TN heute einfach nur einen schlechten Tag hatten und beim zweiten Teil eine Woche später etwas aktiver sind. Bei Fragen oder Themenwünschen fürs nächste Mal könnte man mir auch gerne eine Mail schreiben, bot ich an.
Oh boy, und was für eine Mail kam.
Am Abend und am folgenden Tag war ich ehrlich gesagt ein bisschen sauer, dass die TN sich so verweigert haben. Wie würde ich nächste Woche reagieren? Am Anfang eine Standpauke halten und Beteiligung einfordern? Das ganze ignorieren und so weitermachen wie vorher? Den Seminarplan umbauen und mit plumpen Canva-Tutorials statt meinem Lieblings-Strategy-Talk weitermachen?
Ich war noch unentschlossen, als ein paar Tage später eine Feedback-Mail von einer Teilnehmerin eintrudelte. Es war eine derjenigen, die netterweise ihre Kamera angelassen und (auf direkte Ansprache) auch mitgemacht hatte. Apropos nett: ich denke, ihre Mail war nett gemeint – es war schließlich auch positives Feedback drin – aber hat bei mir nur Kopfschmerzen verursacht.
Mein persönliches Highlight ist „Frau G., ich bitte Sie“ – was womöglich in Gesprächen mit Jenni auch schon zum Meme geworden ist. Ich möchte den Inhalt jetzt hier nicht nacherzählen, aber nach dem Lesen dieser Mail war die Entscheidung gefallen:
Ihr wollt Frontalunterricht? Ihr kriegt Frontalunterricht.
Es ist ja nicht so, dass ich diese plumpen „Da musst du klicken, um …“-Tutorials nicht machen könnte. Ich will sie nicht machen, weil ich sie für unnötig halte. Statt Instagram, Facebook, Canva oder sonstwas zu erklären, verweise ich lieber auf YouTube-Tutorials oder die tooleigenen Hilfeseiten und widme mich dem, was man nicht mal eben googlen kann: Strategie, frischen Themen, innovativen Formaten, zeitsparenden Workflows, nicen Redaktionsplänen.
Und tatsächlich ist letzteres für mich ja sogar anstrengender als in Canva mit zwei Klicks die Hintergrundfarbe einer Vorlage zu ändern. Aber hey, wenn ihr das wollt, dann liefer ich euch das ?
Beim zweiten Wartetermin waren drei Minuten vor Start nur zwei Leute im Warteraum. Eine halbe Stunde nach offiziellem Start waren wir dann immerhin zu acht, sprich, die Hälfte der ursprünglichen Gruppe ist zum zweiten Termin gar nicht mehr aufgetaucht. Das hat mich nicht überrascht. Ebenfalls nicht überraschend: Auch dieses Mal sprühten die TN nicht gerade vor Mitteilungsbedürfnis und hatten natürlich auch die Hausaufgabe nicht gemacht. Aber das war ja kein Problem, mit meinem neuen Frontalunterrichts-Seminarplan war ich ja bestens gewappnet.
Wer jetzt eine dramatische Wendung wie in einem 90er-Jahre-Hollywoodfilm erwartet, in dem das Loser-Baseballteam nach einer motivierenden Rede in der zweiten Halbzeit plötzlich auf den Platz stürmt und doch noch den Pokal mit nach Hause nimmt: Nein, sorry. Die kommt nicht.
Ich habe mein Programm durchgezogen und mir an jeder Stelle, an der ich normalerweise etwas Interaktives eingeplant hätte, auf die Zunge gebissen, tief Luft geholt und weitergeredet. Als ich es einmal wagte, eine Frage alá „Was halten Sie davon?“ zu stellen, sah ich in der kleinen Webcamkachel die Mundwinkel der E-Mail-Schreiberin spöttisch zucken.
Die Bewertungen des Kurses waren übrigens super. Kein Wunder, schließlich hatte sich die TN-Anzahl nach der ersten Runde schon halbiert und diejenigen, die den zweiten Abend dann und mit Canva und mir verbrachten, haben im Feedbackformular dann auch viele Sterne hinterlassen.
Meiner Ansprechpartnerin bei der Stadt teilte ich dennoch (in Kurzform) mit, dass es scheiße lief, und schickte meine Rechnung. Wir haben dann telefoniert und noch ausführlicher über die Situation gesprochen, über Gründe spekuliert, gemeinsam nochmal den Ausschreibungstext angeguckt und überlegt, wie wir das in der Zukunft verhindern können. Im Text stand klipp und klar, dass es um Strategie geht und dass man Grundkenntnisse haben soll. Wie sich eine Person in den Workshop verirrt, die privat kein SoMe nutzt und nichtmal weiß, ob ihre Organisation eine Facebook-Seite hat, konnten wir uns beide nicht erklären. Die Ehrenamtsbeauftragte hat sich mir gegenüber keine Mühe gegeben, zu zeigen, dass sie genervt war. Sie steckt ja schließlich viel Mühe und Budget in die Planung der Fortbildungsreihe, die für die TN kostenlos ist. Wenn die Angebote dann nur halbherzig genutzt werden bzw. man sich für offensichtlich unpassende Workshops anmeldet, ist das natürlich nicht nur für mich als Dozentin, sondern auch die planenden Stellen dahinter ärgerlich.
Warum lief denn das jetzt so scheiße? Hätte ich meine eigenen Bedürfnisse (Strategie vs. Anfängerworkshop) hintenanstellen sollen? War der Text nicht deutlich genug? Hatte ich einfach Pech?
Fakt ist: Die Grundpfeiler, nach denen ich sonst meine Angebote plane, habe ich hier über Bord geworfen, um den „easy way out“ zu nehmen:
Wow, es tut fast weh, das so zu schreiben. Fakt ist: Auf keinen Fall werde ich diesen Workshop so nochmal anbieten. Falls wir das im kommenden Jahr nochmal machen wollen, dann auf jeden Fall mit einer aufwändigeren Anmeldung. Ich könnte mir dafür einen Fragebogen, ein Motivationsschreiben oder eine Vorbereitungsaufgabe vorstellen. Wenn dann am Ende nur 8 Leute da sind, ist mir das auch recht. Solange sie mitmachen.
(P.S.: mein zweites Highlight des Workshops kam ganz zu Ende des zweiten Teils. Ich fragte, ob es noch irgendwelche offenen Fragen zu den heute besprochenen Inhalten gebe. Im Chat las ich dann die Frage: „was ist mit tick tok?“ (sic) … )
Das könntest du auch spannend finden: